Freitag, 15. November 2024

Blut, Schweiß und fast ein paar Tränen

Rationalität endet in der Regel bei Ahnungslosigkeit oder Langeweile. Kommt beides zusammen, endet dies regelmäßig in Situationen, in denen man den betreffenden Leuten im Nachgang nur zu gerne erklärt, dass es ja absehbar war, dass was passiert ...


Grundsätzlich würde ich uns ja als halbwegs rational bezeichnen, sicherlich alles Definitionssache, aber so ganz, glaube ich nicht verkehrt. 

Naja, aber wie das so ist, manchmal überkommt einen doch der jugendliche Leichtsinn, wir sind ja schließlich erst Anfang 20, also vom Geist her - über das blendende Aussehen möchte hier gar nicht erst anfangen zu reden.

So sollte es sich also an einem leicht wechselhaften Tag in Ella, einer Kleinstadt im Hochgebirge Sri Lankas begeben, dass wir auf Grund des Wetters und ggf. einem etwas erhöhten Alkoholkonsums am Vorabend etwas planlos dem morgendliche Regenschauer entgegen starrten und uns die Frage nach dem Sinn des Lebens stellten ... Naja ganz so philosophisch war es nun nicht, aber die Unwissenheit über die Pläne bei vermeintlich schlechten Wetter für den Tag, stand trotzdem im Raum. Nach kurzer Abwägung und Recherche entschieden wir uns für eine Wanderung zum Ella Rock. Der Weg dort hin sollte eine Mischung aus halb legalen Wanderweg, teilweise Landfriedensbruch und Wanderungen entlang von Bahnschienen sein ... Nachdem sich gefühlt schon Generationen von Jungen und Mittelalten Influencern und Weltenbummlern an diesem Weg abgearbeitet hatten, durften wir als junge, dynamische und aufstrebende Reise-Blogger/Trunkenbolde natürlich nicht fehlen. Der Weg klang grundsätzlich nicht wirklich aufregend, lediglich die unterschiedlichen Wegbeschreibungen und Hinweise einzelner Wanderer sorgten für etwas Unsicherheit. So gehört es wohl zum guten Ton, dass genervte Einheimische dort am Wegesrand stehen und einem den falschen Weg zeigen, damit man sich schön verläuft und nach Stunden, Tagen oder gar Wochen von diesen auf einem weißen Schimmel (ja der Pleonasmus ist gewollt) gerettet werden kann. Natürlich für Moneten. Ein weiterer nicht zu verachtender Hinweis erfolgte auf Blutegel, die sich bei feuchtem Wetter wohl zu Hunderten, wenn nicht sogar zu Milliarden Schwärmen im Dickicht am Wegesrand verstecken und auf den Moment der Wahrheit lauern, um den unbescholtenen Touristen auch noch das letzte Fitzelchen Blut aus dem Körper zu saugen.

Also lange Hose, Regenjacke, Basecap Pipapo an- und eingepackt und los ... Nach guten 10min endete natürlich der Regen und es wurden schlagartig 30 Grad ... Glücklicherweise waren wir ja warm genug angezogen... Irgendwann hatte das Wetter aber doch Nachsehen mit uns und änderte sich schlagartig wieder in Regen. Dieses Spiel haben wir circa alle 30min gespielt - gewonnen hat letztlich das Wetter... Nachdem wir etwas mehr als die Hälfte des Weges hinter uns gebracht hatten und 1-2 schöne Blicke auf die Natur werfen könnten, bezog sich der Himmel immer mehr.




















Des Weiteren sollte uns der "Wanderweg" quer durch ein privates Teefeld führen - die Begeisterung der anwesenden Arbeiter:innen sorgte nicht unbedingt für Motivation da quer durchs Gestrüpp zu latschen. Also entschieden wir uns für den Rückzug - bei kurzer Prüfung meiner Knöchel musste ich dann tatsächlich erste ungebetene Gäste vernehmen. Diese ließen sich allerdings nach kurzer, aber intensiver körperlicher Auseinandersetzung vom Gehen überzeugen. Auf den Rückweg gab es noch eine kurzen Abstecher zur lokalen Eisbude, um die heimische Spezialität zu testen. Gefrorener Quark aus Büffelmilch mit Brennpalmensirup - köstlich. Zurück in der Unterkunft, dann der Schock ... Literweise, also vermutlich eher Milliliter weise sickerte das Blut unter meiner Hose, an meinem Schienbein herab - scheinbar hatte sich ein Blutegel unbemerkt am inneren Hosenbein hochgekämpft und den Zapfhahn aufgedreht. Von dem Kumpel war nichts mehr zu sehen, lediglich eine nicht versickern wollende Wunde war Zeuge seines Besuchs. Vollkommen erschöpft und nah am Dahinscheiden, mussten wir erstmal was Essen und auf den Schreck ein Saft trinken, schließlich hatten wir für den Abend Pläne, die unsere ungeteilte Aufmerksamkeit benötigten.



Pünktlich zum Sonnenuntergang wurden wir etwas abseits unserer Unterkunft, mitten im tiefsten Urwald erwartet - von Lanka oder seiner Frau/Tochter/Enkelin. So richtig konnte das Verwandtschaftsverhältnis nicht geklärt werden, aber auf jeden Fall hieß es heute mal nicht nur bestellen und bedienen lassen, sondern selber kochen. 

Die Köchin führte uns und 3 weitere Teilnehmende - 2 Franzosen und eine unglaublich wissbegierige Spanierin in die Geheimnisse der Sri Lankischen Küche ein. Klasse Veranstaltung, auch wenn sich die Wissbegierigkeit der Spanierin relativ schnell als Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom herausstellte. 

Gemeinsam wurden verschiedene Currys vorbereitet, gewürzt und anschließend gekocht. In Summe alles sehr lecker, wenn auch sehr mild und eher für den touristischen Magen gemacht, was aber den anderen Teilnehmenden geschuldet war, da diesen Pfeffer bereits zu "scharf" war ...







Am nächsten Morgen hieß es dann auch Tasche packen und los fahren nach Tangalle, einer Kleinstadt an der Südküste Sri Lankas - ab hier sollte der gemütliche Teil der Reise beginnen. Die Strecke von Ella nach Tangalle mit dem TukTuk zog sich etwas, da vielerorts es einfach eine gerade Strecke war und man sich konzentrieren musste, nicht zu rasen, da niemand um einen herum war. Zwischenzeitlich passierten wir eine sogenannten "Elefantenkorridor", allerdings war von den Dickhäutern weit uns breit nichts zu sehen.

In Tangalle bezogen wir ein Zimmer im "Hidden Garden" - der Name war hier tatsächlich Programm. Etwas abseits der Stadt, direkt an einer kleinen Lagune und nur ca. 2min vom menschenleeren Strand entfernt, fanden wir uns zwischen Pfauen, Kingfishern, Bee Eatern und Affen wieder. Ein kleines Paradies, das absolut zum verweilen einlud. 

Auch wenn wir Anfangs noch schwer motiviert waren und Pläne für die einzelnen Tage schmiedeten, so holte uns doch relativ schnell die Realität ein - dieser Ort war die pure Entschleunigung und jegliche Vorhaben rückten irgendwie in den Hintergrund, wenn man einmal im Garten oder am Strand saß und die Einsamkeit und Ruhe genoss.





























Ganz unserem Schicksal, wollten wir uns dann aber doch nicht hingeben und fuhren eines frühen Morgens in das ca. 20km entfernte Vogelschutzgebiet Kalametiya. Die Informationen zu dem Gebiet waren nicht so richtig aussagekräftig. Lediglich die Empfehlung morgens um 6 Uhr oder Nachmittags um 16 Uhr da zu sein, konnten wir herausfinden. Beides keine Zeiten die wir mit dem TukTuk realisieren konnten, da bei Dunkelheit mit dem Teil zu fahren in etwa so fahrlässig ist, wie einen trockenen Alkoholiker über Nacht in der Schilkin Brauerei einzuschließen. Die Leuchtkraft der Scheinwerfer eines TukTuks entsprechen in etwa der, eines Teelichtes - bei Sturm.

Hieß also für uns, dass wir zu einem der ca. 25 existierenden Googlemaps Einträge fuhren, in der Hoffnung irgendwie in dieses Naturschutzgebiet zu kommen. Es existierte lediglich eine Website und deren Informationen waren mehr als spärlich - ein bisschen was über die Geschichte des Gebietes, eine kurze Lobpreisung über den "Gründer" und was es theoretisch für Möglichkeiten der "Freizeitgestaltung" in diesem Gebiet gäbe.

Vor Ort fanden wir zunächst keinerlei Schilder oder Werbung für das Schutzgebiet - nachdem wir ein zweites Mal etwas unsicher an der vermeintlichen Zieladresse vorbeifuhren, stand plötzlich ein junger Mann, etwas leicht bekleidet mit Handy am Ohr auf Straße und fragte was wir suchen - nachdem wir ihm kurz mitteilten, was wir suchen, drückte er mir auch schon sein Telefon an mein Ohr, mit dem Verweis, sein Chef sei dran ... es stellte sich heraus, dass sein Chef der auf der Homepage beschriebene "Gründer" des Schutzgebietes ist und uns in ca. 5 Minuten empfangen würde, wir sollen in der Zeit doch in sein Haus gehen und warten, seine Mutter wäre da und würde sich um uns kümmern.

Keine 2 Minuten später war der Chef dann auch schon da und erklärte uns, wir wären mit 7:30 Uhr ja spät dran und eigentlich wäre 6 Uhr ja der beste Beginn ... diese Weisheit wurde uns im Laufe der kommenden 3 Stunden noch etwa 90 mal gesagt - trotz der frühen Uhrzeit glaube ich beinahe, wir hatten es spätestens beim 2ten mal verstanden, aber egal, sie meinten es ja nur gut. 

Der Chef erläuterte kurz, was das Schutzgebiet ausmacht und was er im Angebot hat - eine 2-3 Stunden Tour quer durch Mangroven auf einem kleinen Boot inklusive Guide, der uns ein bisschen was über die Region erzählt und uns die dort ansässigen Vögel und Tiere zeigt - wobei auf Grund der Uhrzeit, könnte es sein, dass wir nicht alles sehen - hier wäre der Beginn um 6 Uhr besser ...

Der vermeintlich schlechten Uhrzeit zum Trotz entschieden wir uns für die Tour und nach einer kurzen Fahrt zur Lagune, bestiegen wir das Boot und stürzten uns direkt in die Mangroven bzw. durch diese durch. Die Uhrzeit tat keinen Abbruch und wir sahen reichlich heimische Vögel und konnten die unglaubliche Ruhe genießen. Unser Kapitän war eher von der schweigsamen Sorte und erfüllte seinen Dienst stumpf und simpel nach Vorschrift, während unser Guide sich trotz seines sehr jungen Alters als mehr als kompetent erwies. Der Junge ist 21 Jahre und macht den Job seit knapp 5 Jahren - der Gründer des Schutzgebietes ist sein Mentor und scheint einen ordentlichen Fundus an Wissen zu haben, den er seinem Gelehrten augenscheinlich sehr gut vermittelt hat.
























Zum Abschluss unseres Besuches in Tangalle gab es nochmal ordentlich Affentheater. Wie aus dem Nichts tauchten auf einmal circa 20 Affen in der Lagune gegenüber unserer Unterkunft auf und verzögerten unsere Abreise. So ganz ohne ihnen die gebührende Aufmerksamkeit zu gewähren konnten wir uns dann doch nicht verabschieden. Entlang des "Küsten-Highways" ging es weiter nach Mirissa.














Einem weiteren kleinen Städtchen, direkt am Meer, wobei das hier deutlich touristischer geprägt ist als es Tangalle war. Dies wurde uns auch direkt am Ortseingang klar, an dem einem eine circa 10 Stöckige und etwa 250m breite Bauruine begrüßt - hier wollte die Hotelkette Ritz&Carlton auf betreiben eines ehemaligen (korrupten) Ministers und zusätzlich einem der reichsten Männer Sri Lankas ein Luxus Ressort bauen. Naja wie das so mit Versprechen ist, diese werden gemacht um sie zu machen und nicht um sie einzuhalten - kurzum, nach Baubeginn 2018 und geplanter Fertigstellung in 2022 ist da in den letzten Jahren nichts mehr passiert. Einerseits befindet sich das Land in einer 45 Jahre andauernden Inflationsphase, hat 2022 den Staatsbankrott verkündet, dann kam Corona und bis 2009 herrschte hier knapp 26 Jahre Bürgerkrieg, aber dies sind ja alles keine Sachen, die gegen die Notwendigkeit eines 5 Sterne Luxus-Ressorts sprechen...

Abseits des Bettenbunkers direkt an der Küste gibt es aber noch 2-3 nette Strandabschnitte, an denen es sich zu verweilen lohnt, auch wenn der Anteil anderer Menschen deutlich höher liegt, als in Tangalle - dort kam auf 1km Strand ca. 1 Tourist.

Die höhere Tourismusdichte zeichnet sich auch durch die - sagen wir "erhöhte" Kommunikationsbereitschaft der Einheimischen aus. Normalerweise wird man nach seinem Befinden gefragt und ggf. noch ob man bei irgendwas Hilfe benötigt, mehr aber nicht. Hier ist eine der ersten Fragen, ob ich nur Zigaretten rauche oder auch Weed kaufen möchte - hier hatte ich kurz ein Vietnam-Flashback, wobei die Jungs hier sehr locker reagieren, wenn man es freundlich ablehnt und dann ist das Thema auch erledigt, anders als in Vietnam, wo mir der Geschäftstüchtige Kumpel beinahe durch die halbe Stadt gefolgt ist und erst nach sehr deutlichem Gebären den Rückzug antrat.

Etwas abseits des Trubels liegt unsere Unterkunft, nah des sogenannten "Korallenstrands" ... Wenn es hier Korallen gibt, wirst du sie niemals sehen, da das Meer in bester Theodor Storm Manie hier durch die stille Stadt braust. Heißt also nichts mit Schnorcheln oder Tauchen, sondern Schirmchendrink und Wanst versengen.











Ganz ohne Aufregung gehts bei uns ja aber auch nicht zu und so begab es sich am frühen Donnerstagmorgen, dass vom Himmel Küken regneten. Nichts ahnend und noch etwas zerknittert saßen wir beim morgendlichen Kaffee, als ein weiblicher Pfau nicht weit von uns entfernt am Pool landete und genüsslich seinen Schnabel in das dunkle kühle Nass steckte. Kurz darauf befand sich ein kleines, sehr flauschig aussehendes Jungtier ebenfalls im Pool und schwamm seiner vermeintlichen Mutter entgegen. Abgerundet wurde diese Szene von 2 Kaninchen, die hier zum Inventar gehören und in der Unterkunft leben und wild herum rennen. Glücklich, gar beseelt, ob der Umstände saßen wir dort und genossen die Szenerie, ehe uns ein dumpfes Aufklatschen aufschrecken ließ. Linkerseits von uns sprangen bzw. fielen viel mehr 5 weitere Küken aus einer Höhe von guten 6 Metern zu Boden, die auf der Suche nach ihrer Mutter waren. Augenscheinlich hatte der Pfau auf einem der Dächer der Unterkunft genistet und dort seine Kleinen ausgebrütet, ehe es in die weite Welt gehen sollte. Scheinbar waren die 5 aber Langschläfer und haben den Startschuss verpasst.









Das Schauspiel war irgendwas zwischen Tierdokumentation, Actionfilm und Liebesromanze. Die waghalsigen Abgänge der Küken vom Dach ließen uns doch das eine oder andere Mal den Atem stocken. Aber auch hier bewahrheitete sich wieder die Erkenntnis, dass Betrunkenen und Kindern nichts passiert.

Stichwort Betrunken - nachdem ich so langsam wieder nüchtern werden, machen wir uns auf zu unserem letzten Abend in Mirissa - am Samstag geht es nach Beruwala, an der Westküste, südlich von Colombo weiter. Dort werden wir unseren letzten Stopp haben, ehe es am Sonntag zurück zum Flughafen und damit verbunden auch zurück nach Berlin geht. Sollte es die Zeit und die eventuellen Erlebnisse hergeben, melden wir uns nochmal für ein kleines Fazit der Reise.


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