Sonntag, 3. Juli 2022

All Good Things Come To An End

Unsere letzte ernsthafte Etappe auf dieser Reise sollte uns an den südlichen Zipfel der Kenai-Halbinsel in das beschauliche Städtchen Homer führen. In den frühen Jahren zunächst als Kohlerevier und für die Gewinnung von Gold auserkoren, musste man relativ schnell feststellen, dass es nicht profitabel ist und so verzog man sich zunächst wieder, ehe man diese Ecke des Landes für die Fischerei entdeckte.

Heute ist Homer eine Mischung aus Hippie-Kommune, Fischerdorf und Naherholungsgebiet direkt an der Pazifikküste. Die lokale Spezialität sind die hier sehr großen heimischen Heilbutte. 

Bevor wir jedoch Homer erkunden konnten, mussten wir zunächst natürlich erst einmal dort hinfahren. Der letzte Abend in Seward wurde feucht fröhlich, aber im Rahmen begossen und so fiel das aufbrechen am nächsten Morgen nicht schwer, lediglich die Reisegruppe am Nachbartisch beim Frühstück sorgte für ein wenig Katerstimmung, da diese laut, aufdringlich und verzogen war. Da ahnten wir noch nicht, was uns am kommenden Tag erwarten sollte.

Die Strecke von Seward nach Homer führte uns zwischenzeitlich abseits des Sterling Highway entlang des Kenai River, an dem wir uns die Beine etwas vertreten mussten und Ausschau nach allerhand Vögeln hielten. Die zunehmende Dichte an verschiedenen Adlerarten sorgte für eine stetige Abwechslung und so kam hier keine Langeweile auf, lediglich der körperliche Verfall nach knapp 3 Wochen massiver Fett- und Cholesterinzufuhr machte sich etwas bemerkbar. 






In den National- und Stateparks im Süden macht sich die aktuelle Wettersituation deutlich bemerkbar - es herrscht massive Dürre und Alaska hat aktuell erneut mit massiven Waldbränden zu kämpfen. Dies wurde besonders in Seward und Homer ersichtlich, da man trotz blauen Himmel keine klare Sicht hatte - ein Schleier aus Rauch liegt über dem ganzen Land - eine ähnliche Situation haben wir 2018 auf Neufundland erlebt, als die Rauchschwaden sogar bis Europa gezogen waren.

Die Stadt Homer ist auf Grund ihrer Bergbauvergangenheit keine typische amerikanische Planstadt, was wir bei der ersten Erkundung auch direkt feststellen mussten - vollkommen untypisch für die Jungs da drüben ist diese Stadt mehr der weniger ständig gewachsen und entspricht keinem wirklich nachvollziehbaren Plan. So befindet sich der alte Stadtkern am Strand und besteht aus gefühlten 3 Häusern und der tatsächliche aktuelle Stadtkern ist am anderen Ende der Stadt oben auf dem Berg.

Hat auch damit zu tun, dass die Gegend rund um die Kachemak Bay in der Vergangenheit von einigen schweren Erdbeben, sowie Überschwemmungen betroffen war. 

Neben allerhand Kunsthandwerk gab es aber zunächst für uns nicht viel zu sehen und so verschlug es uns in das örtliche Wildlife Refuge Center. Neben einigen Informationen zu der großen Anzahl von Meeresvögeln die hier brüten, wurde versucht sich kritisch mit der eigenen politischen Vergangenheit und dem Umgang der indigenen Bevölkerung auseinander zu setzen. Der Eindruck eines Genozid wäre nicht von ungefähr gekommen, allerdings geht die geschichtliche Aufarbeitung dann doch nicht so weit.

Nach dem pädagogischen Teil widmeten wir uns zu späterer Stunde der kulturellen Seite von Homer. In einer der wenigen Lokalitäten die geöffnet hatten, war Open Mic Night und so kamen wir in den Genuss des örtlichen Trunkenboldes der mit seiner von Whiskey und Zigaretten gefärbten Stimme eine traurige Countrynummer vortrug, über den deutschstämmigen Parkinsonpatienten der sich als Stand-Up Comedian probiert bis hin zu einer Singer-Songwriterin die uns verdächtig an einige Sängerinnen der frühen 2000er erinnerte.







Das nachklingende melancholische Gesäusel des Vorabends noch im Ohr, machten wir uns am Vormittag auf den Weg in die örtliche Marina um erneut in die hohe See zu stechen. Diesmal mit einem deutlich kleinerem Boot und entsprechend weniger Gästen.

Hier bewahrheitete es sich einmal mehr - egal wie groß eine Gruppe ist, mindestens einer tanzt immer aus der Gruppe oder in unserem Fall 20 ... eine Schweizer Reisegruppe, angeführt von Cornelia aus Deutschland ... es kam kurzzeitlich das Feeling auf, als ob man sich am Pool auf Mallorca befinden würde ... beim Sichern der Sitzplätze fehlte nur der obligatorische Handtuchwurf um sein Revier zu markieren. Die Reiseleiterin übersetze freundlicherweise die Hinweise des Kapitäns für die Reisegruppe und baute dabei nette Übersetzungsfehler und Fehlinformationen ein ... wir versuchten uns nicht zu erkennen zu geben und wechselten von verbaler zu nonverbaler Kommunikation und dachten uns unseren Teil.

Wir stellten im wahrsten Sinne des Wortes auf Durchzug und ließen uns die Meerluft um die Nase wehen, um das Mark und Knochen erschütternde dauerhafte Schwyzerdütsch zu übertönen. 

Kaum auf dem Wasser, wurden wir auch direkt von einem Seeotter begrüßt - es sollte nicht der letzte an diesem Tag sein, was dazu führte, dass ich im Nachgang auf Maries Kamera knapp 700 Fotos aussortieren musste, da sie einem förmlichen Fotorausch verfiel.

Unser erster Anlaufpunkt war Gull Island, ein Nistpunkt für über 20000 Seevögel. Atemberaubend und ohrenbetäubend laut zugleich. Anschließend umfuhren wir noch 1-2 kleine Inseln in der Kachemak Bay und konnten den einen oder anderen Adler erspähen, ehe wir die kleine Stadt Seldovia anliefen.















































Gute 250 Leute wohnen auf diesem kleinen Eiland. Rund um die Insel gibt es eine Vielzahl an Fischgründen, die auch die Lebensgrundlage für einen Großteil der Bewohner bilden. Unseren knapp 3 stündigen Aufenthalt auf der Insel nutzten wir für eine kleine Wanderung und Kennenlernen der örtlichen Gegebenheiten, ehe wir am Nachmittag den Rückweg nach Homer angetreten haben. Etwas gerädert nahmen wir auf dem Oberdeck platz, wobei es zu ersten Revierkämpfen zwischen der schweizer Reisegruppe und den anderen Passagieren kam - wir stellten uns kurz die Frage nach der Rechtslage, falls ich als Deutscher einem Schweizer in Amerika aus Versehen etwas antun würde - nach welchem Recht und an welchem Ort wird dann verhandelt?













Ohne zu tief in den Gedanken abzudriften, suchten wir die Distanz zu der Gruppe und blickten auf das Meer. Urplötzlich konnte ich eine kleine Fontäne am Horizont vernehmen und kurze Zeit später meldete sich auch der Kapitän, da auch er mehrere Orcas am Horizont ausmachen konnte.

2 Schulen von Orcas, einmal männlich und einmal weiblich tummelten sich um unserer Boot herum. Teilweise kamen die Jungs unserem Boot schon bedenklich nah, aber die Euphorie verdrängte jegliche Sicherheitsbedenken. Nachdem die Jungs und Mädels uns freundlicherweise eine atemberaubende Show lieferten, sprangen sie ala Free Willy dem Sonnenuntergang am Horizont entgegen - Wahnsinn.



















Wieder an Land übermannte uns ein wenig die Wehmut, da nun offiziell das Ende der Reise eingeläutet wurde - die wirklich letzte Etappe der Reise führte uns nach Wasilla an den Lake Lucille. 




Die Vorbereitungen für die anstehenden Wahlen und den 4. Juli liefen bereits auf vollen Touren und so wurden wir von einem Übermaß Patriotismus und fragwürdigen politischen Ankündigungen und Forderungen begleitet. 

Gute 5170km später gaben wir am Samstag den Wagen zurück und klemmten uns in die Sardinenbüchse von Condor zurück nach Frankfurt. Aus dem Flugzeug heraus wurde uns dann noch ein Blick auf den größten Berg Nordamerikas gegönnt, Denali.


Um mir den Start in den Arbeitstag etwas zu erleichtern, wies mich Marie noch auf unseren bekannten Kalender hin - nur noch 56 Tage, dann geht es schon wieder los.

 

  

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