Montag, 20. Juni 2022

Muskeln, Mädels und Moskitos

Nachdem sich der vermutete Axtmörder nicht blicken lies und wir eine relativ ruhige Nacht hinter uns gebracht hatten, wurden die Pferde im Morgengrauen gesattelt und wir machten uns auf den Weg in den Yukon nach Dawson. 

Warum wir auf einen potentiellen Axtmörder gewartet haben, können diese Bilder vielleicht etwas verdeutlichen ...




Der Weg sollte uns über den Taylor Highway und später über den Top of the World Highway führen. Bis zur Kanadischen Grenzen kamen wir uns teilweise wie in Namibia vor - sowohl von der menschenfeindlichen Umgebung, als auch von den Straßenbedingungen ... und so sollte es nun auch uns ereilen - kaputter Reifen.

Hier kamen die Muskeln ins Spiel, nachdem wir nach knapp 20 Kilometern hinter dem kleinen Örtchen Chicken auf einmal ein PLING vom Bordcomputer vernehmen mussten. Glücklicherweise verlor der Reifen in einem überschaubaren Zeitraum Luft und so konnten wir immerhin noch eine Ausbuchtung am Straßenrand finden, an der wir den Wagen aufbocken konnten und den Reifen wechseln. 







Irgendwann mussten wir ja auch mal dran sein, aber tatsächlich saß meine letzte Reifenwechselerinnerung scheinbar noch gut im Gedächtnis, so dass wir das Prozedere ohne größere Verzögerung hinter uns bringen konnten.


Neu bereift führte uns die Straße vorbei am Grenzposten direkt nach Dawson.




Dawson ist eine ehemalige Minenarbeiterstadt und versucht bis heute diesen Spirit weiter leben zu lassen. Großartige Attraktionen oder Sehenswürdigkeiten hat die Stadt nicht zu bieten, es sei denn man möchte sich als Goldschürfer versuchen, dann gibt es unzählige Stellen, an denen jeder privat schürfen darf. Lediglich die Ausrüstung muss man selber mitbringen.





Trotz des relativ starken Raubbaus an der Umwelt gibt es hier unbeschreiblich schöne Landstriche. Diese wollten wir am nächsten Tag erkunden, zuvor lag unser Augenmerk auf der lokalen Gastroszene und der verzweifelten Suche nach einer Autowerkstatt, die unseren kaputten Reifen flickt.

Ein kurzer Rundgang durch die Stadt machte uns gleich mit dem örtlichen Trunkenbold bekannt - bzw. wir mussten feststellen, dass Dawson scheinbar eine Art Friedrichshains des Yukons ist. Unzählige Männergruppen, wahlweise mit Motorrad oder Pick Up, die nach ihrer Ankunft den lokalen Spirituosenladen plünderten und sich im Hotel volllaufen ließen.

Da das unter unserem Niveau ist, gingen wir direkt in den Saloon, um mit den örtlichen Spezialitäten warm zu werden. Viel Neues bot Dawson in dieser Hinsicht nicht - mit Ausnahme der abendlichen Unterhaltung.

Diamond Tooth Gertie - Kanadas ältestes Casino und mit regelmäßigen Cancan Shows. Da wären dann die erwähnten Mädels. Ein wenig Gesang, ein wenig Revue und eine Menge gute Laune. Wir haben uns köstlich amüsiert und stolperten freudig spät in der Nacht aus dem Laden, um erneut feststellen zu müssen, dass es noch immer hell ist ...













Am kommenden Morgen stand wie gesagt, die Suche nach einer Werkstatt für unseren Reifen auf der To-do-Liste. Wir steuerten die nächsten Werkstätten an, wurden aber vertröstet. Es sei Wochenende und man könne uns erst in 3 Tagen den Reifen reparieren. Auch wenn wir 4 ganze Reifen haben, so stand am nächsten Tag unsere vermutlich längste Strecke an, die ebenfalls über unbefestigte Straßen führen würde und daher wollte ich gerne einen funktionstüchtigen Ersatzreifen haben.

Also steuerte ich mit letzter Verzweiflung die örtliche Tankstelle an und klagte mein Leid. Und hier kam wieder einer dieser Momente, weshalb ich die Leute hier so gerne habe. Ich hatte kaum ausgesprochen, dass mein Reifen platt sei und die beiden Werkstätten am Stadtrand mir nicht helfen können, da rief die Dame hinter der Kasse quer durch den Laden nach ihrer Chefin, die innerhalb von 5 Minuten die halbe Stadt abtelefonierte und Gefallen einforderte, so dass in knapp 45 min ein Mechaniker an der Tankstelle auftauchen sollte und unseren Reifen reparieren sollte ...

So weit kam es aber gar nicht, nachdem ich auf dem Parkplatz der Tankstelle den defekten Reifen für den Mechaniker vorsorglich bereitstellte, hielt keine 5 min später ein junger Typ aus Alaska an, der kurz fragte, ob ich wüsste wo das Loch im Reifen sei und ob er mal gucken dürfte. Er kam, er sah, er reparierte den Reifen und fuhr von dannen. Er verkaufte es uns als seine gute Tat  - ohne Gegenleistung oder Hintergedanken, da sind wir ja generell skeptisch, aber der wollte wirklich nichts.

Den Rest des Tages dümpelten wir ein wenig vor uns hin und kümmerten uns um unser leibliches Wohl, da am kommenden Tag ein knapp 700km langer Ritt nach Haines Junction anstand. Die Strecke führte uns durch die schönsten Landschaften, aber auch die schönsten Baustellen Westkanadas. Kurz vor Furz meldete sich Maries Suchtverhalten und wir nahmen noch den kurzen Umweg nach Whitehorse, auf der Suche nach Rauchwaren für Madame. Frau von Welt raucht ja nicht alles, was man ihr vorsetzt, sondern hat spezielle Bedürfnisse ... Generell gut zu heißen und unproblematisch, hier im tiefsten Hinterland allerdings problematisch. Eine fast einstündige Irrfahrt durch Whitehorse endete mit einer enttäuschten Marie, da sie nicht ihre gewünschten Tabakprodukte erhalten hat und einem glücklichen Björn, da er einen Canadian Maple Donut bei Tim Hortons bekam. Entsprechend gerädert enterten wir am frühen Abend unser kleines, niedliches Inn und nach einer kurzen Erkundung der Umgebung, ging es noch an die Planung für den heutigen Tag.







Wandern im Kluane National Park stand heute auf der Agenda. Dem größten Nationalpark im Yukon mit dem größten Berg Kanadas - dem Mt. Logan. Dieser sollte allerdings nicht unser heutiges Ziel sein, sondern der Sheep Mountain. Hier sollen Dall Schafe sowie gelegentlich Grizzly Bären zu sichten sein. Mit Erschrecken mussten wir bei der Tourenplanung die Größe des Nationalparks wahrnehmen, so lag der Wanderweg gute 75km von unserer Unterkunft entfernt und befand sich trotzdem noch mehr oder minder Mitten im Park. Also Wecker gestellt und bei Zeiten in die Koje, damit wir ausgeruht angreifen können.

Machten wir auch und so fanden wir uns zu früher Stunde auf dem Parkplatz des Nationalparks. Ca. 15 Sekunden nachdem wir das Auto verlassen hatten, waren unsere Körper von Mücken übersäet. Panisch verteilten wir unsere Vorräte an Autan auf uns und unserer Kleidung und konnten so für einen kleinen Moment durchatmen. Die Mücken freie Zeit sollte aber nur ca. 15min anhalten, dann hatten sich die Mistviecher scheinbar an das Autan gewöhnt und scheinbar auch ihre Familien zum Buffet geladen ... Trotz vollständiger Vermummung wurden wir an so ziemlich jeder Stelle unserer Körper gestochen. Zwischenzeitlich war nur noch ein monotoner Brum/Sum-Ton um einen herum zu vernehmen, was bei der potenziellen Anwesenheit von Grizzly Bären keine gute Situation ist. Wir entschieden uns deshalb umzudrehen, da es keinen Sinn machte - es hätten ein Elch und ein Bär neben uns stehen können, wir hätten sie nicht gehört oder gesehen, da wir nur damit beschäftigt waren, nicht weiter zerstochen zu werden. Auf dem Weg zurück zur Straße entdeckten wir auf den Hängen dennoch ein paar Dall Schafe, was ein wenig versöhnte. Da durch diesen abrupten Wanderabbruch unsere Tagesplanung über den Haufen geworfen war, hieß es nun improvisieren. 





Der Nationalpark bietet glücklicherweise eine Vielzahl an Wanderwegen, so dass wir nach schier endlosen Versuchen tatsächlich 2-3 Wege fanden, auf denen die Mückenproblematik erträglich bzw. nicht vorhanden war.

So verschlug es uns unteranderem auf einen ehemaligen Gletscher und auf einen Kinderlehrpfad zum Thema Borkenkäfer - man lernt nie aus.










Mit ca. 4 Liter Blut weniger und pochenden Füßen lassen wir den heutigen Abend entspannt ausklingen, ehe wir morgen nochmal unser Glück beim Wandern versuchen. Diesmal allerdings mit der kanadischen Chemiekeule - ein erster Feldversuch am Nachmittag erwies sich als erfolgreich, so dass wir Autan verbannen und morgen mit OFF! Mosquito Spray in den Kampf starten.

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