Noch immer vom immensen Blutverlust des Vortags gezeichnet - anders ist folgende Entscheidung nicht zu erklären - schwangen wir uns in den Morgenstunden aus dem Bett und schauten uns beide etwas fragend an, was der heutige Tag für uns parat halten soll.
Mit einer gewissen Sehnsucht und einer gehörigen Portion Angst vermittelte mir Maries Blick den unbändigen Wunsch nach einem erneuten Wanderversuch, schließlich hatten wir ja Captain Chemical aka OFF!!! im Gepäck und so sollte uns doch nichts passieren können.
Eine Argumentation der ich mich schwerlich verschließen konnte und so wurden die Schuhe geschnürt und der Körper sowie die Kleidung mit einer circa 3cm dicken Schicht des besagten Mittels eingesprüht. Eventuell haben wir nun bleibende Eingriffe in unsere Genetik vorgenommen, aber dies sollte sich für uns lohnen.
Die geplante Wanderung sollte uns erneut zum Auriol Trail im Kluane National Park führen - am Vortag mussten wir diesen Weg nach knapp 1km beenden, da wir bei der knapp 30 sec. Betrachtung eines Eichhörnchens über ca. 35 neue Mückenstiche verfügten.
Ein gut 15km langer Weg mit 400 Höhenmetern und einer maximalen Höhe von ca. 1200m führte uns zunächst durch dichtes Waldgebiet, später durch Sumpfland und letztlich durch ein sehr steiniges Gelände entlang eines kleinen Flusses, ehe wir einen Bogen schlugen und den Rückweg antraten. Auf Grund der anhaltenden Warnung vor Bären hatte ich das Bärenspray dauerhaft im Anschlag, kam aber glücklicherweise nicht in die Verlegenheit es zu nutzen. Generell waren Tiersichtungen, mit der Ausnahme von ein paar Vögeln relativ rar gesät, sodass wir uns voll und ganz auf die Landschaft konzentrieren konnten.
Ziemlich genau 4 Stunden nach Aufbruch waren wir auch wieder am Startpunkt und mussten feststellen, dass die Füße doch etwas qualmen. Der Plan mit dem Fahrrad die Umgebung ggf. zusätzlich zu erkunden, wurde anschließend in einer demokratischen Entscheidung einstimmig abgelehnt - wobei uns jegliche Kraft für eine Meldung fehlte, weshalb wir unser Schweigen als Enthaltung werteten ...
Heute hieß es nun Abschied von Kanada nehmen und zurück nach Alaska zu fahren. Auch wenn die Wanderung am Vortag ein wenig versöhnlich wirkte, waren wir doch etwas von Kanada enttäuscht. Alle 5 Meter steht ein Hinweisschild, man solle sich vor Bären in Acht nehmen, aber zu sehen waren keine.
Nach unserem obligatorischen Frühstück in der kleinen lokalen Bäckerei sammelten wir also unsere Sachen zusammen und machten uns auf den Weg. Kanada merkte dies scheinbar und war zu Tränen gerührt, anders kann ich mir das Wetter nicht erklären ...
Die schmierenden Scheibenwischer an unserem Jeep machten die Fahrt nicht angenehmer und das Beobachten der Umgebung beim Fahren auch nicht einfacher. Mit steigendem Frustrationslevel und Unmut verlangsamte sich aber schlagartig die Fahrzeugkolonne vor uns - vermutlich wieder eine dieser schönen kanadischen Baustellen, schoss es mir sofort in den Kopf, ehe ich einen Moment später am linken Straßenrand etwas am Horizont erahnte. Moosbedeckte Steine? Abgebrochene Bäume? Ein Autowrack? Nein, es waren tatsächlich 2 Grizzly Bären die sich gemütlich auf der Grünfläche von A nach B bewegten und sich auch nicht vom Verkehr stören ließen.
Kurze Zeit später wurde mir auch klar, warum es nass vom Himmel kam. Kanada war nicht traurig über unsere Abreise, sondern so erfreut uns doch noch Bären präsentieren zu können, dass sie es einfach nicht mehr halten konnten und den Gefühlen freien Lauf lassen mussten. So ein freundliches Volk!
Die Euphorie tröstete über die nächsten knapp 300 Kilometer beschädigten Highway hinweg. Die Rückeinreise in die Staaten nahm keine 5 Minuten in Anspruch. Smalltalk - wo geht's hin - habt ihr was zu verzollen - wann haut ihr wieder ab - Verabschiedung.
Mit Überschreitung der Grenze befanden wir uns nun auch wieder in einer anderen Zeitzone und haben eine Stunde zurück bekommen - euer Glück, denn sonst gäbe es keinen neuen Blogeintrag ...
Wir übernachten heute erneut in Tok, nicht weil es beim ersten mal so schön war oder wir weiterhin auf den Axtmörder hoffen, sondern weil wir soweit im Hinterland sind, dass im Umkreis von 100km keine vernünftige Alternative aufzutun ist, die uns auf unserer weiteren Tour helfen würde.
Morgen machen wir uns auf den Weg gen Süden in den Wrangell-St. Elias Nationalpark - natürlich nur, wenn der Axtmörder nicht doch noch kommt ...
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