Urlaub ist erst, wenn ich richtig schöne scheiß Laune habe, hatte Marie mir noch kurz vor Reisebeginn prophezeit. Zu ihrem und meinem Glück ist natürlich Verlass auf die Menschheit, aber erstmal der Reihe nach.
Nach zuletzt Südamerika, steht diesmal Südostasien, genauer Vietnam auf der Liste - neben deutlich angenehmeren Temperaturen im Vergleich zu Deutschland zu dieser Jahreszeit, bietet Vietnam auch eine unglaubliche Esskultur und reichlich Geschichte - die perfekte Mischung.
Die letzten Tage vor der Abreise verbrachte jeder von uns noch für sich selber, Marie nahm Abschied von ihren Kollegen und läutete ein neues Kapital im kapitalistischen Lebenslauf ein und ich fuhr durch die schönsten und verlassensten Dörfer Oberfrankens, in der Hoffnung irgendwann wieder die Zivilisation zu erblicken.
Freitagmittag ging es mit Sack und Pack, erstaunlich einfach und pünktlich zum Flughafen - da hätte ich schon skeptisch werden sollen, aber am Check-In wurde ich glücklicherweise nicht enttäuscht. Eine Reisegruppe voller Zonengabis, die zum ersten Mal in ihrem Leben ihr Dorf nahe der sächsischen Grenze verlassen haben und in die große weite Welt aufbrechen wollten. Dieses Ereignis sollte natürlich für die Nachwelt festgehalten werden und so wurde jeder Schritt, jeder Mitarbeiter am Flughafen und auch der Securitybereich akribisch fotografisch dokumentiert, ganz zum Missfallen der örtlichen Sicherheitskräfte.
Nachdem sich dann auch noch eine Dame mit Handgepäck und ca. 25 Liter Kosmetika in diesem ein Wortgefecht in einer slavischen Sprache lieferte, wusste ich, der Urlaub kann beginnen. Voller Vorfreude eiferte ich der obligatorischen Sprengstoffkontrolle entgegen, die leider etwas auf sich warten ließ, weil die Dame mit den Flüssigkeiten, scheinbar noch eine Beautyberatung mit dem Securitytypen vollziehen wollte ...
Im Terminal verflog die Zeit relativ fix und unser Flieger gen Ho Chi Minh Stadt über Doha startete pünktlich. Mit uns an Board natürlich die Reisegruppe vom Check-In ... Meine Erwartungen an Fluggäste und generell Fluglinien sind in den letzten Jahren nicht überproportional gestiegen, aber dieses Mal befanden wir uns in der Top 3 ...
Das bei einer staatlichen Airline, in deren Heimatland Menschenrechte den Gegenwert einer Eierschale haben, sollte man vermutlich wenig Erwartungen an Fluggastrechte oder Service haben, aber träumen darf man ja ... Qatar-Airlines - you get what you pay for ... in meinem Fall eine schmerzende Schulter und Herzrhythmusstörungen, da ich hart an mir arbeiten musste, nicht handgreiflich zu werden.
Wenn eine 65 jährige, knapp 100 Kilo schwere Dame, das erste mal in ihrem Leben fliegt und denkt, sie habe die grazile Bewegung einer Antilope, sich tatsächlich aber wie ein Wasserbüffel durch die engen Gänge im Flugzeug bewegt und einen anrempelt, dann kann das passieren, auch wenn irgendwann eigentlich eine Lernkurve beginnen sollte - wenn aber ein ausgebildeter Servicemitarbeiter, es bei ca 25 Gängen nicht hinbekommt mir seinen Saftwagen nicht in die Schulter einzuarbeiten, dann muss man mir auch verzeihen, falls ich mich etwas echauffiere.
Apropros Qatar - der Flughafen Doha ist auch ein Inbegriff von Dummheit, da landet man mitten in der Wüste, gefühlt kurz vor der Grenze zu Saudi Arabien, um dann mit einem klapprigen Linienbus 30min zum Terminal zu fahren, obwohl dort 98231 Gates frei sind ... das Terminal selber hat den Charm des KaDeWe, bisschen Protz, bisschen Alt und Dreckig, aber irgendwie außer spekulativen Geschäften, wenig dahinter ...
Aber zurück zum Wesentlichen - unserem ersten Ziel - Saigon oder besser gesagt Ho Chi Minh City. Etwas übermüdet verließen wir den Flieger und wurden zunächst von einer wildgewordenen Scharr von kleinen, laut schreienden Vietnamesinnen empfangen, die uns zwingend einen Handyvertrag auf quatschen wollten. Mit Erfolg - Beratung, Verkauf und Installation dauerten enorme 45 Sekunden und schon waren wir wieder weg - so kann das laufen.
Draußen erwartete uns auch direkt unser Shuttle, der uns zum Hotel brachte, ein kleines Appartement in einer Seitenstraße, nahe des Ben-Thanh-Markts. Da wir noch nicht zu so richtig aufnahmefähig waren, haben wir zwar den Verkehr um uns herum wahr genommen, aber die letzte Aufmerksamkeit, verbrauchte unser Guide, der uns mit seinen 5 Fetzten Englisch, die er mit Hilfe von ABBA und Kinderliedern gelernt hatte, immer wieder erklärte - Mama Mia, Superman, Crazy Men und natürlich Germany Number One ...
Am Hotel zahlte es sich aus, Marie als Studierte mitgenommen zu haben, da die 36 Seiten Anleitung zum Öffnen der Haustür mindestens einen Bachelorabschluss erforderte ... nach kurzer Akklimatisierungsphase, wurde es aber direkt Zeit sich in das Getümmel zu stürzen. Zum Start, dachten wir, nehmen wir direkt einen 5 spurigen Kreisverkehr, um einmal von A nach B zu kommen ... was soll ich sagen, alles halb so wild, vergiss was dir erzählt wurde und lauf einfach, notfalls Augenkontakt halten und dann passt das alles schon. Nach einer kurzen Runde durch die Stadt, verschlug es uns am Abend in die Bui Vien Walking Street - das Rotlichtviertel, wie wir relativ schnell feststellen mussten - nah am epileptischen Anfall, auf Grund der immensen Masse an Leuchtreklamen, haben wir uns in eine Seitenstraße verzogen und erstmal was ordentliches gegessen. Zurück am Hotel endeckten wir noch eine kleine Cocktailbar, tief versteckt in den Untiefen unserer Gasse. Von den Leuten und der Ausstattung, hätte diese Bar wunderbar nach Charlottenburg oder Steglitz gepasst, ist aber eher in Hellersdorf zu finden ...
Am kommenden Morgen stand der kulturelle Part von HCMC an und so ging es in das Kriegsrestemuseum, in dem jetzt nicht so richtig neutral die Gräueltaten des Vietnamkriegs beleuchtet werden, aber unabhängig von der Betrachtungsweise, ein durchaus interessanter Ort. Anschließend ging es vom Wiedervereinigungspalast, über Notre Dam, Postamt und 1-2 kleineren Orten zurück zum Hotel.
Einen kurzen Powernap später fanden wir uns auf den Dächern HCMCs wieder und genossen die Aussicht und das Getümmel der Stadt am Abend. 1-2 Cocktails und ein gutes Essen lieferten einen schönen Abschluss für unseren ersten "richtigen" Tag in Vietnam.
Tags darauf hatten wir die dumme Idee bei knapp über 30 Grad gute 6-7 Kilometer durch die Stadt zur Jade Pagode zu rennen - Aufwand und Nutzen standen in keinerlei Relation, da diese Pagode ein besserer Souvenirladen ist. Vollkommen ausgezehrt und vermutlich auch mit einem kleinen Sonnenstich, verbrachten wir den Großteil des restlichen Tages in kleinen süßen Straßencafés und beobachteten das rege Treiben bei einem kühlen Getränk.
Heute Morgen ging es dann mit dem Flugzeug über Da Nang weiter nach Hoi An. Der Inlandsflug mit Vietnamese Airlines, war tatsächlich mal einer nach meinem Geschmack - für den Kostenlevel eines Ryanairflugs, die Annehmlichkeit eines Emirates Business Class Fluges erhalten.
Großes Plus, der Flughafen HCMC hat einen Raucherraum, der diesen Namen auch verdient hat ...
Hoi An ist eine kleine Küstenstadt mit knapp 75000 Einwohnern, die früher einen der größten Häfen Südostasiens an der Seidenstraße beherbergte. Entsprechend kulturell vielfältig und vom Handel geprägt sind die Häuser in der Altstadt. Da auch hier Temperaturen um die 30 Grad herrschen, fiel die erste Erkundung der Stadt bisher relativ sporadisch aus, was wir allerdings gesehen haben, macht Lust auf mehr. Die weitere Erkundung muss aber zunächst warten, da der Pool ruft ...
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen